Ich hatte kürzlich Geburtstag (wie alt ich geworden bin erfahrt ihr im nächsten Newsletter – Cliffhanger!) und das ist der 100. Newsletter. Könnte es bessere Gründe geben, die Arbeit daran finanziell zu unterstützen? Und es gibt 20 % Rabatt!
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Montag, 02.06.2025, am Schreibtisch
Gestern habe ich den 98. Newsletter verschickt; der 100. ist nicht weit. Leider verspüre ich angesichts dieser rundesten Zahl keinerlei Inspiration. Haben meine Lektionen aus der Newsletterei sich seit dem ersten und vierten Jubiläum nicht bloß vertieft und rechtfertigen deshalb keine Neuauflage? Ich will mich nicht wiederholen, obwohl ich Listentexte liebe. Aber ich könnte meine (Lebens-)Lektionen nicht so gut, so weise, so unterhaltsam aufschreiben wie Sarah Wipauer es kürzlich getan hat.
Dienstag, 03.06.2025, früher Nachmittag, am Schreibtisch
Ich bin erst heute auf die Idee dieses tagebuchartigen Format gekommen (inspiriert von Dinçer Güçyeters Essay in Brotjobs & Literatur), deshalb musste ich gestern „nachschreiben.“ Und habe schon wieder keine Lust. Liegt das an den 656 Wörtern, die ich heute für meinen Roman geschrieben habe? Wirkt der dritte Kaffee noch nicht? Brauche ich eine Pause?
Pausen machen und schätzen: Das habe ich nicht durch 100 Newsletterausgaben gelernt, aber während der fünfeinhalb Jahre, in denen ich sie geschrieben habe. Bis morgen also. Vielleicht.
#77: Zeit haben
I Ich wache ohne Wecker auf, weil mein Körper seinen eigenen Rhythmus gefunden hat. Tapse ins Bad, dann in die Küche. Koche Kaffee und gehe mit meiner dampfenden Tasse und einem Buch zurück ins Bett. Irgendwann frühstücke ich und ziehe zum Weiterlesen auf den Balkon um.
20:08 Uhr, im SEV-Bus
Die Reflexionsaufgabe, was sich in/während 100 Newslettern verändert hat, ist zu groß. Was hat sich in dieser Zeit nicht verändert? Der erste Text, Anfang Januar 2020, war vor der Pandemie, vor der Ukraine, vor Gaza, vor der AfD als stärkste Kraft in Umfragen. Ich studierte noch, dachte, ich bräuchte keine Psychotherapie (lol) und mein Mann war erst seit zwei Jahren mein Freund.
Diese Texte erschienen auf einer anderen Plattform, unlektoriert, ohne Fotos von meinem Lieblingsmodel (das mich übrigens, wie am verblassten Muster erkennbar, seit frühster Kindheit begleitet). Ich hatte noch keine Kurzgeschichten veröffentlicht und alle Romanideen aufgegeben (bis zur nächsten tragfähigen sollte es fast fünf Jahre dauern). Mein Schreiben war ein Traum und Hobby, jetzt soll es mehr sein.
Wie diese Veränderungen und die tausend nicht genannten fassen, in ein kohärentes Ganzes bringen, das ihr mit Gewinn lest? Eine andere Textidee waren 100 Veränderungen in 100 Newslettern, von den Befindlichkeiten meines rechten Knies zur durchschnittlichen Erderwärmung, aber das wollte ich weder euch noch mir antun.
Fünfeinhalb Jahre und zu viele Ebenen: Auch ohne 100 Newsletter hätten mein Leben und die Welt sich so verändert, dass der Vergleich Schwindel erregt. Kausalität ist unmöglich festzustellen. Wirft uns das zurück aufs Schreiben, das einigermaßen eindeutig mit der Zahl der Newsletter zusammenhängt? Dieses Thema, von dem ich nie weiß, wie sehr es Menschen, die nicht selbst schreiben, wirklich interessiert?
#68: Feministische Pflichten im öffentlichen Raum?
Zum vierjährigen Fast jeden Sonntag Jubiläum veröffentliche ich eine vollständig überarbeitete Version meiner allerersten E-Mail an euch. Beim Wiederlesen war ich positiv überrascht, wie gut und wenig cringe ich sie fand – deswegen habe ich sie vor allem um neue Gedanken erweitert. Ein paar davon verstecken sich hinter einer Paywall, ein Großteil ist für alle verfügbar. Wie ihr die Arbeit am Newsletter und das Lektorat unterstützuen könnt, erfahrt ihr
Freitag, 06.06.2025, 10:51 Uhr, am Schreibtisch
Anderseits: Wann soll – darf – ich selbstreflexiv werden, mich in der Nabelschau suhlen, wenn nicht im 100. Newsletter?
11:08 Uhr, immer noch am Schreibtisch
Werden diese Datums- und Zeitangaben zu Lügen, wenn ich diesen Text überarbeite? Egal. Schließlich ist das die wichtigste Schreiblektion aus 100 Newslettern: Überarbeiten wirkt. Idealerweise mit Hilfe oder Lektorat – hier erfahrt ihr, wie ihr das unterstützen könnt.
Sonntag, 15.06.2025, 18:10 Uhr, auf dem Sofa
Nachdem ich schon befürchtete, in Gelaber (oder Schweigen) abzurutschen, ist mir doch noch etwas für diesen Jubiläums-Meta-Newsletter eingefallen. Schon vor dem ersten Text hatte ich mir eine eiserne Regel gesetzt: kein Lifestyle-Influencer*innen-Content. Obwohl ich den gern lese. Aber ich konnte und kann mir nicht vorstellen, dass ihr euch dafür interessiert, wie ich meinen Kaffee zubereite, was mein Lieblingsrestaurant ist oder wie mein Hochzeitskleid aussah. Ich wollte und will keine „Das war meine Woche“ Texte schreiben, sondern meine Ideen auf den Punkt bringen. Mein Alltag und mein Gesicht haben nur wenig mit diesen Essays zu tun.
Wer hier aufmerksam mitliest, weiß viel über mich (die Paywall für ältere Texte schafft auch etwas Privatsphäre). Aber ihr wisst nicht, wie meine Wohnung aussieht, welches Shampoo ich benutze oder wie ich mich kleide. Weil ich viel Anderes teile (wie hier und hier), sind mir solche Grenzen wichtig, auch wenn sie willkürlich erscheinen mögen (im nächsten Newsletter verschieben sie sich möglicherweise – Cliffhanger!).
Diese Grenzen haben mir geholfen, meine Themen zu finden und in die Tiefe zu gehen. Ohne sie hätte ich viel Zeit, Energie und Geld in Fotos oder Grafikdesign investiert. Aber ich bin hier, um zu schreiben. Das ist auch ohne Ansprüche an die visuelle Ästhetik herausfordernd genug.
#74: Die perfekte Notbremse
Dieser Text ist Teil meiner Serie über Körper. Hier findet ihr alle Teile. Ihr könnt sie unabhängig voneinander lesen.
21:10 Uhr, in der Philharmonie (während der Pause)
Dann war da noch ein zweites Thema, das ich des 100. Newsletters würdig befunden hatte. Natürlich habe ich vergessen, was es war.
Ach ja, die Substack-Ultras. Aber jetzt geht das Konzert weiter.
Dienstag, 01.07.2025, 15:36 Uhr, im Urlaub bei 32°C und Gewitter
Sub-Hä? denkt ihr jetzt, insbesondere wenn ihr diese Texte in euren E-Mail-Postfächern lest. Substack ist die Plattform, mit der ich die Newsletter verschicke. Dazu gibt es eine App mit einem Feed aus Kurztexten, Bildern, Videos und Podcasts, zusätzlich zum blogartigen Aspekt der Newslettertexte. Noch ist es ein kleines soziales Netzwerk, das insbesondere von Autor*innen genutzt wird. Der Ton ist größtenteils freundlich, ähnlich wie Ur-Instagram erlaubt der Feed eine Flucht aus der Weltlage und es ist möglich, mit dieser Arbeit Geld zu verdienen. Das führt unter neuen und Intensiv-Nutzer*innen zu Begeisterungsstürmen, die ich manchmal befremdlich finde.
Plattformen sind Werkzeuge. Dieses ist besser als andere, weshalb ich es nutze. Aber Plattformen verändern sich: Vor drei Jahren gab es hier nur Texte, keine Videos, keine Podcasts, keinen Feed. Plattformen verdienen an ihren Nutzer*innen (in diesem Fall 10 % der Bezahlabos, dafür gibt es – noch? – keine Werbung). Sie können informieren und unterhalten, aber hier fühlen sich auch Neonazis wohl und aufgrund des amerikanischen Free-Speech-Absolutismus der Gründer*innen wird kaum gegen sie vorgegangen. Wie andere Autor*innen denke auch ich öfter über einen Umzug nach.
Viele Ultras, die prophezeihen: „Substack ist the future of media!“ verdienen hier fünfstellige Summen und mehr im Jahr. Wahrscheinlich wäre ich auch begeisterter, wenn ich von dieser Plattform leben könnte. Aber ich schicke meine Texte an knapp 500 E-Mailadressen, darunter auch Bots. Eure Bezahlabos finanzieren fünf Lektorate (à 85 €) im Jahr, was bedeutet, dass ich für diesen Newsletter und seine Qualität bezahle, statt damit meine Miete zu begleichen (dafür bräuchte es 78 monatliche Bezahlabos). Wann immer ich einen Text verschicke, bestellen einige diese Mails ab (es kommen auch welche dazu – sonst würde ich noch deprimierter klingen).
Dienstag, 08.07.2025, 17:06, im 98 Minuten verspäteten ICE
Am Sonntag soll dieser Text online gehen; vorher muss er ein gutes Ende finden. Diese Deadline ist natürlich willkürlich – so ist das bei One-Woman-Show-Newslettern. Eigentlich sollte er schon letzten Sonntag in euren Postfächern landen, aber es war zu heiß und ich habe beschlossen, Urlaub Urlaub sein zu lassen.
Vierzig Minuten später habe ich den Text ein erstes Mal überarbeitet – auch um mich vor dem Ende zu drücken. In ein paar Tagen werde ich ihn zum zweiten Mal überarbeiten1 und dann nochmal.
Drei bis fünf Überarbeitungen sind wenig. Bei den lektorierten Texten läuft es so: Ich mache Notizen auf Papier, schreibe den ersten digitalen Entwurf, lasse ihn Tage bis Wochen liegen, überarbeite ihn. Bin ich einigermaßen zufrieden, schicke ich ihn an meine Lektorin, die großartige Katharina Stein. Von ihr bekomme ich ein Dokument voller Kommentare und Korrekturen, die ich einarbeite. Das wiederholen wir nochmal. Dann lasse ich den Text wieder liegen. Schließlich überarbeite ich ihn im Newsletter-Editor ein weiteres Mal. In der Test-E-Mail finde ich ungeahnte Fehler und krumme Formulierungen (jedes Mal!). Jetzt erst drücke ich auf Senden. Ihr lest diese Texte also frühestens in der neunten Version. Das ist viel Arbeit, aber sie lohnt sich. Meine Texte werden besser, was eine ganz besondere Befriedigung auslöst. Ich habe andere Autor*innen kennengelernt, spannende Gespräche geführt und bekomme manchmal nette Nachrichten darüber, wie euch die Texte gefallen haben.
Ohne eure Aufmerksamkeit und euer Feedback (ihr könnt einfach auf diese Mail antworten!) würde ich all das nicht machen. Dann hätte ich niemals meine Gedanken zu toxischer Exzellenz, Körpern oder gebrochenen Ärzt*innen zu Ende gedacht oder gar aufgeschrieben.
So soll, darf und will dieser Text enden: mit meinem Dank an euch. Danke, dass ihr mitlest, egal ob mit oder ohne finanzielle Unterstützung. Danke, dass ihr meine Texte teilt. Danke, dass ihr hier seid. Danke und danke und danke.
Wenn ihr unten auf das Herz klickt, macht ihr mir eine große Freude und helft anderen, meine Texte zu finden. Danke!
Fast jeden Sonntag ist ein Newsletter über Medizinisches, Feministisches und Politisches mit einer gelegentlichen Prise Literarischem. Er erscheint zwei- bis dreimal im Monat.
Als Trick für mehr Abstand habe ich ihn ausgedruckt und zweimal mit Rotstift korrigiert, beim Übertragen in die digitale Version kamen weitere Änderungen hinzu.