Dieser eine Trick wird dein Leben verändern!
Wenn ihr das Optimierungsmonster in euch tragt, könnt ihr nicht nicht auf diese Links klicken. Dann habt ihr einiges ausprobiert: die Pomodoro-Technik, diverse To-Do-Listen-Apps, täglich x Liter Wasser trinken, Nahrungsergänzungsmittel, die Morgenroutine der Influencer*innen eures Vertrauens etc.
Aber irgendwie blieb das versprochene Wunder aus. Vielleicht habt ihr etwas mehr geschafft, keine To-Dos vergessen oder hattet seltener Kopfschmerzen. Doch ihr wart immer noch ihr. Das Bullet Journal löste nur das Produktivitätsproblem, nicht das emotionale. Das tägliche Yoga brachte Balance, doch der Job blieb furchtbar. Das teure Nahrungsergänzungsmittel wirkte nicht über den Placeboeffekt hinaus.
Das ist der Kern der Lifehackkultur: Sie versprechen mehr, als sie halten können. Mehr als eine Sache oder Tätigkeit jemals halten kann.
Es gibt Dinge, die unsere Leben besser machen: finanzielle Stabilität, soziale Kontakte, regelmäßiger Sport, Psychotherapie. Andere machen einen Teilaspekt einfacher: Terminkalender, Steuererklärungssoftwares, Online-Banking.
Doch das Leben und seine Probleme sind zu komplex, um vor einfachen Lösungen einzuknicken. Deshalb kann kein Lifehack unsere Erwartungen erfüllen. Nichts kann alle Probleme lösen, nicht einmal Psychotherapie oder politisches bzw. zivilgesellschaftliches Engagement. (Wenn ihr meine Texte schon länger kennt, wisst ihr, dass das meine Lieblingslösungen sind. Außerdem sind das eben keine Lifehacks, denn in der Psychotherapie und im Engagement gibt es keine Abkürzungen.)
Doch es ist eine gute Nachricht, dass es keine Lifehacks gibt: Wir können aufhören, nach dem perfekten Trick zu suchen. Wir müssen nicht mehr auf diese Links klicken, weil wir dort nichts verpassen. Wir müssen unsere Energie nicht in diese Experimente stecken.
Statt weiter nach Wundermitteln zu suchen, können wir uns fragen, was für uns funktioniert. Was wirklich zu uns passt. Was unser Leben besser macht, auch wenn es viel Arbeit ist (deswegen wird Psychotherapie euch nie als Lifehack verkauft). Wir können uns auf die Therapie konzentrieren, unsere Freund*innenschaften pflegen, gesellschaftliche Erwartungen kritisieren, uns einer politischen Gruppe anschließen. Die Beschäftigung mit den großen Fragen des Lebens ist kein Wundermittel, sondern eine lange Reise. Aber sie lohnt sich – wenn wir uns nicht von effektheischerischen Lifehacks ablenken lassen.
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PPS: Wenn ihr noch zögert, euch politisch zu engagieren, gibt dieser Text euch einen sanften Stups:
#89: Trumps Arschtritt
Als Donald Trump zum ersten Mal zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, war das der Arschtritt, den ich brauchte, um mich endlich einer linken Studigruppe anzuschließen. Ich fand politisch aktive Menschen schon immer unglaublich cool, aber brauchte Jahre, um zu verstehen,…
Sehr guter Text, vielen Dank!
An einer Stelle habe ich mich etwas gestoßen, bzw. darüber nachgedacht:
"(deswegen wird Psychotherapie euch nie als Lifehack verkauft)."
Ich verstehe, was du damit meinst - dass ein Psychotherapeut o.ä. niemals so tun wird, als wären nach 3 Sitzungen alle Probleme wie von Zauberhand gelöst.
Ich beobachte allerdings öfter (gerade, aber nicht nur auf Social Media), dass in gewissen Bubbles das Wort "Therapie" manchmal doch wie ein fast schon mythisches Zauberwort oder sogar zur Distinktion verwendet wird. Ich fand das anfangs sogar gut, denn es galt (und gilt immer noch!) ja, das Stigma zu überwinden, welches mit Therapie und psychischen Problemen verbunden ist. Allerdings finde ich es irgendwie mittlerweile auch problematisch, wenn innerhalb mancher sozialer Gruppen es fast schon als chic gilt, in Therapie zu sein - auch das ist ja nicht der eigentliche Zweck. Ganz abgesehen von dem unschönen Nebeneffekt, dass therapeutische Begriffe immer mehr in die Alltagssprache einfließen und dabei verwässern (Trauma, Trigger, "toxisch" usw.). Ist das nachvollziehbar? Bin ich am Overthinken?