7 Kommentare

Ich kenne das. Immer sehr viel wollen, aber nicht genug Zeit haben. So viele Interessen und Pläne und Projekte, auf die man Lust hat. Meine Therapeutin sagte zu mir "Burnout ist auch nur ein Modewort für Depression".

Während des Abis veröffentlichte ich mein erstes Buch, trainierte drei Mal die Woche im Handball Verein und bereitete mich auf eine Sporteignungsprüfung an einer Uni vor. Als ich bei dieser dann wegen Versagensangst versagte, war es der erste Schritt ins Loch. Ein Umzug, fehlende Kontakte, eine ungesunde Beziehung mit darauffolgender Trennung lließen mich radikal reflektieren. Ich begann eine Verhaltenstherapie und verdanke dieser und meiner eigenen Neugier, mich selbst wirklich kennen und wissen zu wollen, woher all diese Ansprüche herkommen, sehr viel. Ich richtete meine inneren Werte mehr auf Gesundheit, statt auf Leistung aus und versuche so zu leben. Realitätschecks sind super gut! Wie wichtig ist es, dass ich diese To Do heute noch mache, obwohl ich spüre, dass ich Ruhe brauche? Ist es meine psychische Gesundheit wert? Nein! Immer nein!

Dort wo ich einmal war, möchte ich nicht mehr sein.

Trotzdem ist es ein lebenslanger Prozess und ein Abwägen. Ich glaube zentral ist es, die eigenen Werte, Grenzen und Bedürfnisse gut zu kennen und Frühwarnzeichnen, die uns sagen, dass wir einen Gang zurückschalten sollten.

Jetzt wo ich psychisch wieder gesünder bin, bin ich sogar leistungsfähiger als in meinen depressiven Phasen, eigentlich kein Wunder, oder? Es ist wie beim Sport - die Regeneration ist genauso wichtig wie der Trainingsreiz, wird aber immer noch unterschätzt.

Interessanterweise weiß ich erst jetzt wie viel besser es mir all die Jahre hätte gehen können... Doch ich kannte nichts anderes.

Mein jetziger Job in einer psychiatrischen Klinik unterstützt mich in meinen Werten, auch dort wird glücklicherweise mehr auf Psychohygiene geachtet, als vermutlich in anderen Krankenhäusern. Deine Beobachtung mit der besseren Einarbeitung in einer psychiatrischen Klinik deckt sich also mit meiner!

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Ja es ist wirklich spannend, wie viele Menschen diesen und ähnliche Prozesse durchlaufen - und wir doch die Lektion alle am eigenen Leib erfahren müssen. Aber der Erfahrungsaustausch ist total wichtig, finde ich.

Und in meiner Klinik ist es definitiv auch so, dass viel mehr auf die Psychohygiene geachtet wird also anderswo :)

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So sollte es auch sein in einer psychiatrischen Klinik! :D alles andere wäre sehr absurd haha ':)

Freut mich, dass die Teilzeit Variante für dich erstmal besser klappt!

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Mir gings ebenfalls jahrelang so. Kam da alleine auch nicht raus - zu viele Verhaltensmuster, die einfach drin waren, unsichtbar für mich selbst. Ist vielleicht auch ein bisschen eine Henne-Ei-Sache, aber die Veränderung steht auf jeden Fall in Wechselwirkung mit einem kompletten Lebenswandel: Intensive Therapie, Jobwechsel, Umzug. Mittlerweile hab ich auch einen sehr stimmungsfühligen Hund, der hochdreht und anstrengend wird, wenn ich selbst zu gestresst bin. Das ist mein Stressbarometer.

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Ein toller Artikel! Ich hätte das darin von dir beschriebene Gefühl letztes Jahr noch komplett unterschrieben – und viele Jahre davor auch. In diesem Jahr ist es mir gelungen, deutlich Tempo rauszunehmen. Vielleicht noch nicht so viel, wie ich gerne hätte. Aber doch deutlich. Das hat aber natürlich Konsequenzen – in meinem Fall finanzielle. Ich verdiene die Hälfte von dem, was ich letztes Jahr verdient habe, weil ich entschieden habe, weniger zu arbeiten und weniger Kurse anzubieten. Das ist auf dem Konto schmerzhaft, aber auf seelisch-körperlicher Ebene extrem befreiend. Trotzdem ruft es natürlich wieder neue (Existenz-)Ängste wach. Und ich glaube, das ist der springende Punkt: Eine Entscheidung für mehr Ruhe ist eine Entscheidung gegen Dinge, deren Verlust wir schmerzhaft spüren werden. Es ist also wahrscheinlich am Ende eine Frage der Akzeptanz dieses Schmerzes. Ist der Schmerz, etwas nicht zu tun, größer als der Schmerz, ständig erschöpft zu sein? Dann werden wir weiter hustlen. Akzeptieren wir, dass wir andere Arten von unangenehmen Gefühlen haben, wenn wir weniger machen – andere Ängste, Sorgen und Zweifel – werden wir vielleicht die Entscheidung treffen, trotzdem auszuruhen. Und uns dann, in Ruhe, mit den unangenehmen Gefühlen auseinandersetzen, die dadurch hochkommen.

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Aug. 14, 2023·Aug. 14, 2023 bearbeitet

Hmmm.

Es ist nicht leicht, es mit sich selbst auszuhalten. Ich bin den Schritt vom Präburnout in den Burnout schon einmal gegangen (gestolpert, geschlittert, gestürzt ... wie auch immer. Es war keine Absicht) und es war kein gutes Gefühl. Das gab eine erzwungene Auszeit, weil mein überhitztes Hirn mich nicht mehr schlafen ließ, nicht mehr klar denken, nicht mehr konzentrieren, nicht mehr nett sein ließ. Und das bei völliger Erschöpfung. Ich konnte dann nichts mehr machen, nicht mehr im Hier-und-Jetzt sein.

In der Folge habe ich meine Arbeitszeit reduziert, Aufgaben losgelassen. Auch erstmal ein doofes Gefühl, weil mir dann klar wurde: Wenn du bestimmte Arbeiten nicht mehr tust, weil du sie abgegeben hast, dann tut es jemand anders. Und anders, als du es tun würdest. Oder es macht einfach niemand mehr den Job. Und dennoch dreht sich die Erde weiter.

In vielen Berufsjahren habe ich aus teilnehmender Beobachtung und eigener Erfahrung gelernt, dass es vollkommen egal bist, ob du (als Angestellte/r!) in deinem Job da bist oder nicht, dafür brennst oder nicht. Dein Unternehmen (was auch immer es ist) wird weiterbestehen. Würde es untergehen, weil du nicht mehr funktionierst, dann stimmen in dem Unternehmen ein paar grundsätzliche Sachen nicht.

Wie man da raus kommt? Weiß ich nicht wirklich, es ist ja auch jeder anders. Ein paar Gedanken in offener Reihenfolge und ohne Empfehlung:

* Eine Verhaltenstherapie machen. Immer die Frage stellen: Warum sagst du dir gerade, dass du das tun musst? Oder weshalb du das Gefühl hast, etwas tun zu müssen.

Denn die Wahrheit ist: Du musst gar nichts. Du tust Dinge, weil dich irgendwas treibt (aber das steht ja schon in deinen Text).

* Aussteigen aus diesem Leben und Surflehrerin werden. Oder mit einer Schafherde durchs Land ziehen.

* Sich fokussieren auf einige wenige Dinge und die intensiv machen.

* Lange einsame Spaziergänge, atmen und stundenlang aufs Wasser starren. Am besten in in Kombination (und ohne Handy). Irgendwann hörst du zu denken auf.

* Diss abbrechen. Die braucht man nur für eine Unikarriere.

* Alles Geld abheben, die wichtigesten 10 Dinge und ein paar Klamotten einpacken und verschwinden und irgendwo neu anfangen. Im Gepäck ist aber immer dein altes Ich mit dabei. Das haben auch schon viele Filmemacher*innen erkannt und bearbeitet.

Ansonsten so weitermachen. Und sehen was passiert. Vielleicht passiert auch nichts, es bleibt immer der Präburnout. Aber macht das Spaß?

Du musst gar nix!

https://youtu.be/-MjvPVrduQg

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Und wir gehen sooo lange davon aus, dieses Gefühl sei ein Leistungsnachweis.

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