Liebe Männer *durchgestrichen*
Hallo Männer *durchgestrichen*
Männer, ich habe die Nase voll von eurem Gelaber. Eure Partnerin als „Chefin“ oder „Oberbefehlshaberin“ zu bezeichnen, nervt und ändert nichts an patriarchalen Strukturen. Das gleiche gilt für die Aussage, eure Partnerin hätte euch „erlaubt,“ von eurem eigenen Geld einen neuen Gameboy zu kaufen oder euch in eurer Freizeit mit euren Kumpels zu treffen. Das hat folgende Gründe:
Erstens machen solche Sprüche die Arbeit eurer Partnerinnen unsichtbar. Klar kann es sich wie Unterordnung anfühlen, wenn sie euch mit einer Einkaufsliste in den Supermarkt schickt. Aber tatsächlich ist diese klar umrissene Aufgabe ein Geschenk: Ihr habt den Eindruck, im Haushalt so richtig was zu reißen, während eure Partnerin die Mental Load trägt, also die geistige Arbeit leistet, um den ganzen Scheiß zu managen. Denn sie hat in Kühlschrank und Speisekammer Inventur gemacht und das Essen für die nächsten Tage geplant. Während ihr im Supermarkt seid, saugt sie Staub, lässt eine Waschmaschine laufen, bezieht das Ehebett neu und backt den Kuchen für euren Belohnungskaffee nach dem heroischen Einkauf. Aber klar, sie ist eure Chefin. Geben eure Chef*innen auf der Arbeit euch auch einfache, klar umrissene Aufgaben, während sie den komplexen Kram erledigen? Streicheln sie danach euer Ego, weil ihr die simple Aufgabe so toll gemeistert habt? Der Vergleich hat nicht mal genug Beine, um hinken zu können.
Zweitens reproduziert dieser Diskurs veraltete Rollenbilder: Das Haus ist die Domäne der Frau, deswegen kann sie dort als Chefin bezeichnet werden. Wäre sie außerhalb des Hauses Chefin (mit entsprechendem Gehalt und allem Pipapo), wäre das Geschrei jedoch groß. Gleichzeitig tut ihr mit diesen Sprüchen so, als würdet ihr gönnerhaft eure Macht abgeben. Ich unterstelle euch keine bewussten Manöver, doch das sagt uns alles über die Machtverhältnisse: Nur wer Macht hat (und zwar viel!), kann diese gönnerhaft abgeben – solche Sprüche verschleiern Machtverhältnisse, statt sie aufzuweichen.
Drittens gibt eine Beziehung weder euch noch eurer Partnerin Eigentumsrecht an der jeweils anderen Person. Das impliziert ihr jedoch, wenn ihr sagt, eure Partnerin hätte euch „erlaubt“, mit den „Jungs“ was trinken zu gehen/ein Snowboard zu kaufen/wofür auch immer ihr eine Pseudoerlaubnis zu brauchen meint. Tut bitte nicht so, als ob ihr in einer furchtbaren Unterdrückungssituation lebt, wenn jahrhundertelang die Frau sehr wohl dem Mann gehörte und es teilweise immer noch tut. Der Mann gehört und gehörte niemals der Frau. Das ist auch nicht das Ziel – wir müssen diese Denkweise abschaffen; sie umzudrehen ist einfallslos und wird uns nicht befreien. Folglich kann ich meinem Partner nicht „erlauben“ mit seinen Kolleg*innen ins Kino zu gehen, er entscheidet das einfach selbst. (Ja, das war prä-corona, diese Sprüche nerven mich schon seit es sie gibt!)
Viertens tragt ihr sie oft in semi-scherzhaftem Ton vor – als wüsstet ihr, dass es im Patriarchat keine Oberbefehlshaberinnen gibt, zumindest nicht in der Ehe. Komisch, wirklich komisch. Aber wenn das so ist, dann ändert die Verhältnisse doch mit uns! Wie bitte, ihr seid nicht sicher, ob ihr das wirklich wollt, aktuell ist es eigentlich ganz bequem für euch, immerhin müsst ihr nur einmal die Woche einkaufen gehen?
Solltet ihr trotzdem mit der Zeit gehen wollen, statt euch krampfhaft am Mittelalter festzuklammern, hier ein paar Tipps:
1. Verkneift euch diese Sprüche. Mit ein bisschen Übung ist es ganz einfach, sie nicht aus dem Mund zu lassen. Und je seltener sie da rauskommen, desto seltener produziert das Gehirn sie, versprochen. Das hat was mit Angebot, Nachfrage und dem Markt, der alles regelt, zu tun.
2. Informiert euch: Was heißt Feminismus genau? Werden eure heißgeliebten Geschlechtsorgane abfallen, wenn ihr dieses Wort in einem positiven Kontext benutzt? (Spoiler: Eher nicht) Wer oder was ist eigentlich dieses Patriarchat? Was ist emotionale Arbeit? Was ist die Mental Load? Was meinen wir mit Reproduktionsarbeit? Warum ist es nicht Sofias Job, diese Dinge für euch zu googeln?
3. Übertragt die Ergebnisse eurer Recherche auf euer Leben. Wie habt ihr von patriarchalen Strukturen profitiert? Wie wäre euer Leben verlaufen, wenn ihr nicht als Mann zur Welt gekommen wärt? Wie könnt ihr euch im Alltag feministischer verhalten? Wie könnt ihr eure Beziehungen so gestalten, dass nicht mehr von Chef*innen die Rede ist, weil alle gleichberechtigt sind?
4. Collect your people: Wenn jemand sich falsch verhält (sexistisch, rassistisch, antisemitisch, ableistisch, etc.), ist es nicht die Pflicht von Marginalisierten, dieses Verhalten zu kritisieren (manchmal sind sie gut drauf und machen es netterweise trotzdem, so wie ich gerade). Doch eigentlich muss die Kritik von Menschen kommen, die der gleichen Gruppe angehören wie das Arschloch (tolles genderneutrales Wort übrigens!). In eurem konkreten Fall heißt das: Wenn sexistische Sprüche fallen, ist es eurer Job als Männer, etwas zu sagen. Das muss nicht besonders eloquent sein: „Solche Sprüche sind scheiße, lass das!“ zeigt, was ihr davon haltet, auch wenn ihr es nicht mit Fußnoten begründen könnt. Schweigen wird von Sexisten als Zustimmung gewertet. Wenn ihr schweigt, lasst ihr uns im Stich.
5. Stellt politische Forderungen – hier müsst ihr das Rad nicht neu erfinden, praktischerweise stellen Feminist*innen seit Jahrhunderten welche, denen ihre euch anschließen könnt (Spoiler: Neue Forderungen in ihrem Namen zu stellen würde nicht gut ankommen): besseres Abtreibungsrecht, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Aufwertung „weiblich“ konnotierter Arbeit, kostenlose Kinderbetreuung, Geld statt Applaus für Pflegepersonal, mehr Pflegepersonal, Grundsicherung für Alleinerziehende…Ihr versteht schon. Für Punkt 2 habt ihr ja schon die Suchmaschine eures Vertrauens angeschmissen, ihr wisst jetzt also, wie es geht.
Auf die Polemik folgen Disclaimer: Dieser Text geht von heterosexuellen cis-Beziehungen aus, weil dort patriarchale Strukturen am offensichtlichsten fortwirken können und dringend bekämpft werden müssen. Not all men – obviously, aber im Internet muss das dazu gesagt werden. Dass diese Sprüche vor allem von Männern kommen, ist trotzdem kein Zufall, deswegen geht dieser Brief an euch alle. (Manchmal höre ich „Du erlaubst deinem Partner“ zwar von Frauen, aber da geht es um etwas anders: „Was, du lässt deinen Freund mit seiner Mitbewohnerin und seiner besten Freundin auf die Fusion fahren?!?“) Vielleicht fühlt ihr euch von diesem Text nicht angesprochen, weil euer Gehirn solche Sprüche nicht generieren kann (Mutige fragen Frauen* in ihrem Umfeld, ob das wirklich stimmt!). Möglicherweise habt ihr Recht, ich höre diese Sprüche meistens von Männern, die Fast jeden Sonntag nicht lesen. Doch auch wenn ihr nicht zu diesen Sprücheklopfern gehört – ihr ahnt es schon: Collect your people. Euer Umfeld ist bestimmt nicht so feministisch, wie es sein könnte. Wenn wir alle unsere Umfelder feministischer machen, gehen wir gemeinsam einen großen Schritt weg vom Patriarchat. Dadurch werden all unsere Sonntage ein bisschen schöner. Ich freu mich drauf, liebe Männer.
Teilt diesen Text und macht euer Umfeld feministischer.