„Rückfall“ ist ein Wort, dessen Plausibilität erst klar wird, wenn wir selbst fallen: tief, unkontrollierbar. Wir können nur warten, bis wir unten ankommen. Hoffen, dass unser Kopf dort noch funktioniert. Denn jetzt müssen wir uns schon wieder mit dieser Scheiße beschäftigen.
Das Praktische an den Sterbephasen nach Elisabeth Kübler-Ross ist, dass sie sich auf Rückfälle (und alles andere) übertragen lassen: Kaum liegen wir unten, beginnt das Nicht-Wahrhaben-Wollen: Es ist nicht so schlimm wie damals. Es fühlt sich zwar genauso an, trotzdem ist es anders! Ganz anders! Ich bin definitiv nicht am gleichen Punkt wie vor fünf Jahren. Nur weil es sich genauso anfühlt, es genauso aussieht, es genauso klingt, ist es noch lange nicht das gleiche! Nur weil meine Achillessehne schon nach 500 Metern schmerzt, heißt das nicht, dass ihr Zustand sich verschlechtert hat!
Was soll diese Scheiße? Wieso macht die Scheiß-Sehne nicht einfach ihren verdammten Job, wie alle anderen Körperteile auch? Was ist daran so fucking schwer? Nur weil sie die menschliche Sehne ist, die die stärksten Belastungen mitmacht, muss sie keine Starallüren haben! Das MRT sagt, sie sei „altersentsprechend normal,“ also soll sie sich gefälligst so verhalten!!!!!! (Ihr merkt schon, Zorn).
Ok, na gut. Pass auf, Sehne, wir machen es so: Wir gehen nur noch 5000 Schritte am Tag statt 8000. Das sind 3000 weniger! 37,5% weniger! Das ist doch ein Angebot! Was meinst du?
[Schweigen]
Naja, du musst schon mitmachen, wenn wir hier verhandeln! Oder wir machen eine Yogapause! Und eine Sportpause! Aber bitte, bitte, dann muss wenigstens Spazierengehen möglich sein! Ich mache auch jeden Tag Übungen! Gehe zweimal die Woche zur Physiotherapeut*in! Massiere dich zweimal täglich!
[Schweigen]
Du musst halt sagen, was du willst!!!
Warum muss das mir passieren? Warum schon wieder mir? Ich habe längst mehr über Achillessehnen gelernt, als ich jemals wissen wollte – inklusive der symbolischen Bedeutung einer angeknacksten (seelische Sprungkraft, alle Stricke reißen). Ich war bei einem Heiler, verdammt nochmal! (Dazu ein anders Mal mehr) Wie verzweifelt soll ich denn noch werden? Ich sollte mich für immer von Yoga, Squats und Spaziergängen verabschieden. Für immer. Wie soll das je wieder was werden? Wie soll ich arbeiten, ohne zu laufen? Was wird bloß aus mir? (Ja, das ist Depression).
Ok, na gut. Dann ist es wohl so (Zustimmung/Akzeptanz). Dann kann ich jetzt die Fehler von damals vermeiden. Dieses Mal wird es richtig heilen: Dieses Mal werde ich nicht zu viel machen. Aber ich werde auch nicht zu viel entlasten. Dieses Mal finde ich die perfekte Balance. Dieses Mal wird alles anders.
Leider sind diese Phasen nicht so schön linear wie hier – manchmal passieren alle an einem Tag. Manchmal ist eine Phase unendlich. Manchmal denke ich, das wäre der letzte Schlenker gewesen, doch dann beginnt der Rückfall wieder von vorn. Immerhin weiß ich mittlerweile, dass jede Phase irgendwann endet.
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