In meinen Feiertagsvisionen habe ich immer ganz viel Zeit zum Nachdenken. Ich sitze am Fenster und beobachte Rotkehlchen oder Schneeflocken. In meiner Hand eine warme Tasse und ein Notizbuch, in dem ich das vergangene Jahr verewige. Meine Gedanken mäandern, müssen nicht ankommen und werden dadurch – vielleicht – umso interessanter. In der Realität liege ich meistens unter dem Weihnachtsbaum und spiele mit meinen Geschenken, aka lese meine neuen Bücher.
Deshalb dieser Versuch einer kleinen Hausaufgabe – sie ist vor allem für mich, aber ich will euch auch dazu einladen. Wenn ihr in diesen Tagen das Privileg der Stille habt, ist diese E-Mail eine Einladung zur Reflexion. (Allen Mitarbeiter*innen im kollabierenden Gesundheitssystem, im Einzelhandel, etc. ganz viel Kraft!).
Unten findet ihr zur Inspiration elf Denkanstöße. Antwortet auf diese Mail, wenn das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ihr Zeit dafür findet. Setzt euch mit einem Notizbuch vor eine Zimt-Duftkerze. Nehmt ein Selbstgespräch auf. Malt ein Bild, komponiert, bastelt eine Collage, alles, was euer Gehirn in den Nachdenkmodus befördert, ist erlaubt.
Das soll eine sanfte Reflexion sein – Selfcare, keine Auflistung von Erfolgen. Wenn ihr eine Frage doof findet, überspringt sie. Wenn ihr alle doof findet, hört auf. Das ist okay, dann lesen wir uns im Januar wieder.
Womit hast du dich dieses Jahr selbst überrascht?
Wen/was hast du vermisst?
Welches Buch, welcher Film, welches Lied, welches Bild etc. beschreibt die Stimmung des Jahres am besten?
Was hat dir gut getan?
Wovon wäre weniger gut gewesen? (*Hust* Social Media)
Was nimmst du mit ins nächste Jahr? Was lässt du zurück? Warum?
Hast du genug gelacht? Genug geweint?
Welchen Gegenstand graben Archäolog*innen in tausend Jahren aus, der dich im Jahr 2021 am besten repräsentiert? Was schreiben sie auf das Schild für den Schaukasten im Museum?
Ich schenke dir einen zusätzlichen Tag ohne (!) Verpflichtungen – den 32. Dezember 2021. Wie verbringst du ihn?
Was erzählst du der übernächsten Generation über dieses Jahr (persönlich oder schriftlich/als Audiodatei)?
Was wünschst du dir für 2022?
Meine eigenen Antworten werden über die Feiertage auf Papier landen. Allerdings werde ich sie nicht mit euch teilen, weil das zum angeberischen Tagebucheintrag ausarten und die Grenze zwischen privat und Internet zu sehr verwischen würde.
Euch viel Spaß beim Sinnieren und bis bald!
PS: Wenn ihr auch ein bisschen lesen wollt – hier ein paar Fast jeden Sonntag Texte aus diesem Jahr: Oberbefehlshaberinnen im Patriarchat? und Über das Leben ohne Diagnose. Oder das gesamte Archiv …
PPS: Und ein stilles Buch: Überwintern. Wenn das Leben inne hält von Katherine May. Sie tröstet uns durch die Winter des Lebens und lädt uns dazu ein, uns dem Rhythmus der kalten Jahreszeit hinzugeben.
PPPS: Der nächste Newsletter erscheint am 9. Januar 2022. Es wird darum gehen, warum reiche Menschen in Liebesromanen überrepräsentiert sind.